Das Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) arbeitet eng mit Unternehmen zusammen und untersucht Strategien bei der Arbeitsgestaltung. Stefan Rief, zuständig für das Competence Center für Workspace Innovation beim IAO, verrät im Interview wie Firmen eine angenehme und effiziente Umgebung entwerfen.
CW: Wie sehen die von ihnen untersuchten Bürokonzepte genau aus?
RIEF: Die Bandbreite der Konzepte ist groß, das war nicht immer so. Früher gab es nur Einzel- und Großraumbüros. In den letzten Jahren haben sich jedoch Mischformen entwickelt, die wir in unseren Ansatz einbeziehen. Wir analysieren die Arbeitskultur, Arbeitsdynamik und Tätigkeitsprofile in den Unternehmen. Aus den Ergebnissen entwickeln wir schließlich ein Konzept. Dabei beobachten wir in erster Linie die Vernetzung der Mitarbeiter untereinander. Wie viel müssen sie miteinander zu tun haben und wo sind die Konzentrations- und Kommunikationsanforderungen. Viele Mitarbeiter sind heute nicht mehr an ihr Unternehmen gebunden, da sie unterwegs oder im Home Office arbeiten. Dadurch ist es möglich, an attraktiv empfundenen Orten tätig zu sein, die in Konkurrenz zu klassischen Büros stehen. Also erforschen wir Lösungen wie Unternehmen mit dieser Arbeitsvielfalt umgehen können.
CW: Einige Firmen praktizieren mittlerweile eine Mischung aus Großraumbüros und Rückzugsräume für die Mitarbeiter. Wie effektiv sind diese Ideen?
RIEF: Bei der Beobachtung von verschiedenen Unternehmen haben wir festgestellt, dass sich die Büros immer weiter öffnen. Unser Ziel ist die Messung dieses „Öffnungsgrads“ und den damit verbundenen Möglichkeiten. Interessant wird es, wenn die Mitarbeiter ihren persönlichen Platz aufgeben und zum Beispiel in Desk-Sharing-Büros arbeiten. Wir unterscheiden hier zwischen der Organisationsart und der räumlichen Form der Arbeit. Viele Arbeitnehmer lösen sich vom persönlichen Arbeitsplatz und nutzen ihre Umgebung oder Räume außerhalb der Büros. Die autonome Organisation der Arbeit bekommt damit einen hohen Stellenwert. Je mehr Sie ihre Arbeit unabhängig bestimmen können, desto mehr nimmt die Nutzungsrate von klassischen Büros ab. Hinzu kommt das „Awareness-Prinzip“ (Wachsamkeitsprinzip). Sie sehen beispielsweise einen Kollegen im Büro und Ihnen fällt plötzlich ein, dass Sie mit ihm reden wollten. Diese Spontaneität und Vernetzung erreicht man nur, wenn man an verschiedenen Orten arbeitet. Ein weiterer Aspekt ist die Konzentration bei der Arbeit. So gibt es mittlerweile Coworking-Spaces, die von Freelancern für ein konzentriertes Arbeiten und Vernetzen genutzt werden. Wir haben daher ein multilokales Konzept entworfen: Mitarbeiter suchen sich unterschiedliche Räume, um ihrer Arbeit nachzugehen. Schließlich gehen wir von verschiedenen Zeitphasen aus: Es gibt Phasen in denen ich im Büro arbeite und es gibt Zeiträume in denen ich an anderen Orten tätig bin.
CW: Der Verband der Büro-, Sitz- und Objektmöbel e.V. (bso) hat das Thema Geräusch- und Lärmverminderung auf die Agenda gesetzt. Beschäftigen Sie sich in ihrer Forschung mit diesem Aspekt?
RIEF: Es gibt an unserem Institut für Bauphysik bereits Wandkonstruktionen, die akustische Tiefen absorbieren und ziemlich gute Werte erreichen. Aber es sind eben Wände, die nicht nur optisch abschreckend wirken können, sondern die Kommunikation verhindern. Für uns ist die Akustik ein entscheidendes Problem. Wenn Sie sich vorstellen, dass Sie im Büro sitzen und die Gespräche der Kollegen mitbekommen, entwickelt sich automatisch ein Grundrauschen. Sprache ist im Büro ein Störfaktor. Dennoch ist ein offener Raum besser als eine Arbeitszelle. Offene Strukturen, die akustisch behandelt sind, bewirken eine effizientere Arbeit, da sich die Menschen besser vernetzen.
CW: Gibt es Studien, die nachweisen, dass bestimmte Bürokonzepte effizienter sind?
RIEF: Es ist leider schwer zu messen. In einer Studie von 2004 haben wir die Office-Performance von 1000 Befragten untersucht. Dabei kam heraus, dass die Teilnehmer zwar im Einzelbüro gut arbeiten, aber ein Büroformmix noch besser funktioniert. Klassische Dreierbüros oder Zellenbüros schnitten am schlechtesten ab. Zudem haben wir Bildschirmtests gemacht, wie Menschen mit mehr digitaler Arbeitsfläche umgehen. Die Ergebnisse haben einen ähnlichen Effekt gezeigt. Eine größere digitale Arbeitsfläche bewirkt ein effizienteres Arbeiten. Mittlerweile haben viele Büroarbeiter zwei oder drei Bildschirme auf denen sie Webkonferenzen abhalten und gleichzeitig Dokumente durchlesen. Ich kann also mehrere Anwendungen kombinieren. Allerdings steigt durch das Mehr an digitaler Kommunikation wieder die akustische Belastung.
CW: Dauert es nicht noch einige Jahre bis wir alle Möglichkeiten bei der mobilen Kommunikation, etwa in Form von Smartphones oder Tablet-PCs, ausschöpfen können?
RIEF: Ich glaube nicht, dass es so lange dauern wird. Dabei ist nicht die IT der Bremsklotz. Zwar sind Bildschirme limitiert, aber durch den Mix an Büroarbeit und anderen Formen ergeben sich auch neue Möglichkeiten. Das Problem ist die fehlende Sensibilität. Wann nutze ich einen Micro-Blog und wann rufe ich an? Welches Mittel nutze ich für welchen Arbeitsschritt? Zudem kommen durch die vielen neuen Geräte Arbeitsschritte hinzu. Früher hat man telefoniert und sich einfach kurze Notizen gemacht. Heute telefoniert man, schreibt dem Anderen eine Zusammenfassung vom Gespräch, vergleicht und schaut dann das Ergebnis an. Es vergeht also mehr Zeit. Hier sind die entscheidenden Fragen: Wann setze ich welches Kommunikationswerkzeug ein und wie gehe ich damit um.
CW: IBM und andere US-amerikanische Firmen praktizieren bereits Desk-Sharing. Die Mitarbeiter arbeiten an verschiedenen Arbeitsplätzen und teilen sich ein Büro. Sind das noch Randphänomene?
RIEF: In Deutschland ist das noch ein Randphänomen. Als einige Unternehmen in Deutschland diese Konzepte einführten, hatten sie die Erwartung, dass es schnell angenommen wird. Wir haben damals das Konzept zusammen mit IBM entwickelt und waren ebenso zuversichtlich, dass es sich durchsetzt. Viele Unternehmen schreckten aber vor dieser teilenden Arbeitskultur zurück. Trotz der schleppenden Entwicklung bin ich zuversichtlich, dass es in den nächsten Jahren kommt. Aber eine gewisse Vorsicht bleibt, denn es passt nicht zu jedem Unternehmen und hängt vom Reifegrad der Unternehmenskultur ab.
CW: Elisabeth Arnold vom Verband der Betriebsärzte meint: „Arbeitnehmer, die ihre Büroeinrichtung kontrollieren arbeiten zufriedener“. Arbeitnehmer wollen Arnolds Meinung nach also persönliche Gegenstände im Büro aufstellen. Wiederspricht sie damit ihren Ergebnissen?
RIEF: Wir haben vor einigen Jahren einen Dekorationsindex entworfen, der misst, wie viele private Dinge wir am Arbeitsplatz benötigen. Ein Ergebnis war, dass sie nicht so wichtig sind. Wir brauchen ein Büro der vielen Möglichkeiten: Jetzt möchte ich konzentriert arbeiten, jetzt möchte ich jemanden treffen. Das gibt mir die Freiheit, so zu handeln wie ich will. Jeder möchte unter den Bedingungen arbeiten, die ihn dabei helfen, möglichst effizient zu sein. Desk-Sharing wird häufig mit Flächeneffizienz gleichgesetzt. Eigentlich entstammt es aber der Idee, sich schneller zu vernetzen, schneller in Projektteams zusammenzufinden. Der amerikanische Wissenschaftler Tom Allen hat bereits in den 70er Jahren Untersuchungen gemacht, in denen er die wissenschaftliche Vernetzung untersucht hat. Das Ergebnis war, dass man sich schneller kennenlernt und vernetzt, sobald man an verschiedenen Orten arbeitet. Dass dabei Fläche gespart wird, ist für uns nur ein Nebeneffekt. Letztlich denke ich, dass wir durch den multilokalen Ansatz unser persönliches Territorium erweitern und nicht einschränken. Dafür müssen die Mitarbeiter aber in den Veränderungsprozess einbezogen werden.
Das Interview wurde am 03. April 2012 auf COMPUTERWOCHE.de publiziert.