Die Finanzkrise brodelt. Das trifft Anbieter von Bankapplikationen wie GFT. Ulrich Dietz, CEO von GFT, spricht im CW-Interview über den IT-Gipfel, Nearshoring und das laufende Geschäftsjahr.
CW: Herr Dietz, wie bewerten Sie die Ergebnisse des IT-Gipfels, der letzte Woche in Essen stattgefunden hat?
DIETZ: Ich betrachte den siebten IT-Gipfel weitgehend als Erfolg. Das bezieht sich gerade auf den „Young IT Day“, der als Treffpunkt für Startups mit Entscheidern aus der Wirtschaft und Investoren erstmals stattfand. Natürlich hat der IT-Gipfel etwas Anlaufzeit gebraucht. Ich muss ehrlich sagen, dass die Diskussionen in den Themensitzungen das Jahr über nicht so einfach sind. Die Ministerien sind nicht so dynamisch wie IT-Unternehmen, aber alle Beteiligten möchten vorankommen. Gut ist, dass junge, innovative Unternehmen mit ins Boot geholt wurden. So können durch den Gipfel neue Impulse entstehen. Wenn sich die Wirtschaft weiterhin mit der Bundesregierung gut vernetzt, bin ich optimistisch für die Zukunft.
CW: Erhoffen Sie sich durch den Gipfel mehr Unterstützung bei Firmengründungen?
DIETZ: Vor allem hoffe ich auf Verständnis. Ob Gesundheitspolitik oder Unternehmensgründungen, alles ist heute vernetzt. Das ist keineswegs einfach für jemanden zu verstehen, der sich nicht intensiv mit dem Thema beschäftigt. Wir können nicht von jedem Mitarbeiter in den Ministerien erwarten, dass er sich mit IT-Themen bis ins Detail auskennt. Da hilft nur Aufklärungsarbeit und zwar das ganze Jahr. Wir müssen der Bundesregierung die Schwerpunkte erläutern und zeigen, was für konkrete Maßnahmen wichtig sind.
CW: Auf dem Gipfel war auch der Mittelstand ein Thema. Fühlen Sie sich als mittelständische Unternehmen politisch ausreichend unterstützt?
DIETZ: In Deutschland gibt es viele Möglichkeiten für mittelständische Unternehmen. Für Technologiefirmen mit internationaler Ausrichtung und Sitz in Deutschland ist es wichtig, dass sie keine Steine in den Weg gelegt bekommen. Vorschläge für eine Vermögenssteuer sind daher sehr bedenklich. So etwas würde unseren Spielraum einschränken und Expansionen in Deutschland erschweren. Dennoch muss man festhalten, dass Deutschland eine gute Infrastruktur sowie Forschungseinrichtungen besitzt und somit ein idealer Standort ist.
CW: Mit dem Projekt CODE_n hat GFT unter dem Motto „Smart Solutions for Global Challenges“ einen Wettbewerb unter Jungunternehmen ausgerufen. Gesucht werden Startups mit Geschäftskonzepten für eine nachhaltige Energienutzung, die auf der CeBIT 2013 vorgestellt werden. Was wollen Sie mit dem Wettbewerb erreichen?
DIETZ: Wir haben im letzten Jahr CODE_n gestartet. Darauf hatten sich 2012 mehr als 400 Unternehmen aus 42 Ländern beworben. Der Grundgedanke der Initiative ist, traditionelle Firmen mit internationalen Startups zusammenzubringen, um neue Geschäftsideen zu entwerfen. Dazu geben wir ein Thema vor, für das ein Preis ausgeschrieben wird (jeweils 15.000 Euro für zwei Gewinner, Anm. der Red.). Dieses Jahr steht das Thema Energie und Nachhaltigkeit im Vordergrund. Das beinhaltet Energieeinsparung, Energieverteilung und Energieerzeugung. Themen, die uns nicht nur in Deutschland umtreiben. Wir haben für den aktuellen Wettbewerb bereits Bewerbungen aus mehr als 20 Ländern erhalten, worunter sich spannende Ansätze befinden. Ein großer Teil der Kommunikation läuft übrigens über soziale Netzwerke.
CW: Können Sie Beispiele nennen, wo es bereits Kooperationen gibt?
DIETZ: Wir sind mit mehreren Jungunternehmen im Gespräch. Aber Details kann ich zu diesem Zeitpunkt nicht nennen.
CW: Sie werben regelmäßig für Ihre Niederlassungen in Katalonien (Spanien). Warum haben Sie sich für die Region entschieden?
DIETZ: Es gibt zwischen Katalonien und Baden-Württemberg einige Gemeinsamkeiten. Beide Regionen haben eine hohe Bevölkerungsdichte, waren ursprünglich aber arm. Durch Technologie und mittelständische Unternehmen konnten sich beide Regionen positiv entwickeln. Katalonien ist der Leistungsträger in Spanien. Es ist die dynamischste Region mit den modernsten Unternehmen.
CW: Wie sieht es mit IT-Arbeitsplätzen in der Region aus?
DIETZ: In Spanien herrscht eine hohe Arbeitslosigkeit. Es gibt also sehr viele Menschen, die Arbeit suchen. Für unsere Niederlassungen suchen wir neben IT-Fachkräften auch in anderen Bereichen qualifizierte Mitarbeiter. Gute IT-Fachkräfte sind auf der ganzen Welt begehrt. Um diese für ein Unternehmen zu gewinnen, muss man gute Arbeitsbedingungen schaffen. Erreicht man die Menschen in einer Region, hat ein Unternehmen keine Probleme, geeignete Fachkräfte zu finden. In Katalonien sind die Bedingungen hierfür gut.
CW: Was schaffen Sie für Arbeitsplätze in Katalonien?
DIETZ: Neben den IT-Arbeitsplätzen haben wir technische Fachkräfte und Bankberater eingestellt. Aber auch Marketing- und Shared-Service-Personal. Wir haben bisher gute Erfahrungen mit spanischen Fachkräften gemacht.
CW: Funktioniert das Nearshoring in Spanien?
DIETZ: Wir setzen sowohl auf Near- als auch auf Offshoring. In Spanien funktioniert das. Wir sind aber auch in Brasilien mit einem Entwicklungszentrum aktiv. Auch in Indien haben wir eine Kooperation und wollen die Aktivitäten dort ausbauen, um uns auf dem asiatischen Markt zu positionieren. Wir verstehen uns als Unternehmen, das die Möglichkeiten des globalen Marktes nutzt und verfolgen als mittelständisches Unternehmen einen internationalen Ansatz.
CW: Welche Entwicklung sehen Sie für den IT-Markt in den nächsten Jahren?
DIETZ: Der IT-Markt hat ein riesiges Wachstumspotenzial, betrachtet man allein die Themen Mobilität oder Internet der Dinge. Es gibt viele Möglichkeiten, Applikationen zu entwerfen, die den Alltag vereinfachen. Das mit technischen Ideen und neuen Ansätzen umzusetzen, produziert Arbeitsplätze und Wachstum. Gerade im Bankwesen können wir die Finanzinstitute mit der Entwicklung, Integration und Wartung von IT-Lösungen unterstützen. Zudem bauen wir uns ein neues Standbein im Bereich Innovationen auf, wofür CODE_n initiiert haben.
CW: Welche Geschäftsfelder sind für GFT neben Bankanwendungen noch interessant?
DIETZ: Wir sehen insbesondere im Bereich Mobility, aber auch bei Ingenieursdienstleistungen großes Potenzial. Beispielsweise haben wir in Frankreich ein Team, das Webservices mit Projektmitarbeitern aus 16 Ländern realisiert. Zudem sind wir dort im Bereich Webdesign aktiv und decken die Arbeit mit Freelancern ab. Der Kunde hat dadurch einen großen Kostenvorteil.
CW: GFT hat ein durchwachsenes Geschäftsjahr hinter sich: In der ersten Jahreshälfte sank der Umsatz um 18 Prozent auf 116 Millionen Euro. Woher kam dieser Einbruch?
DIETZ: Diese Zahlen stimmen. Allerdings haben wir etwa im Consulting-Bereich zugelegt. Der Hauptgrund für den Umsatzrückgang war der strategische Rückzug aus dem Geschäft im Bereich „Third Party Management“. Wir haben für Großunternehmen Services organisiert und damit eine Marge von weniger als einem Prozent erreicht. Uns ging durch diese Umstrukturierung ein Umsatz von knapp 50 Millionen Euro verloren. Wir konnten diesen Einbruch aber mit anderen Geschäftsbereichen teilweise kompensieren. Außerdem kostet eine Initiative wie CODE_n Geld. So etwas kann man als Unternehmen nur machen, wenn man sich in einer guten Situation befindet. Es schlägt sich zwar kurzfristig in den Zahlen nieder, bringt langfristig aber einen Vorteil für unser Geschäft.
CW: Hat die Finanzkrise Einfluss auf Ihr Geschäft?
DIETZ: Ja, zum Teil. Unsere Kunden im Bankenbereich sind durch die Krise verunsichert. Wir arbeiten mit Investmentbanken zusammen, die derzeit mit der Krise zu kämpfen haben. Das schlägt sich auch auf uns nieder.
CW: Viele Banken stehen in der Kritik, in unsichere Anlagen investiert zu haben. Wie bewerten Sie diese Kritik?
DIETZ: Da wird sehr viel Populismus betrieben. Die Bankmanager versuchen größtenteils, sinnvoll zu investieren. Zudem werden sie in Rahmenbedingungen gezwängt, die das Bankgeschäft nicht einfach machen. So sind die Vorstände der Landesbanken zum einen gezwungen, den Finanzregularien Rechnung zu tragen. Zum Zweiten müssen sie möglichst profitabel wirtschaften, um ihren Gesellschaftern wie Bundesländern, Landkreisen und Städten eine hohe Dividende abzuwerfen. Schließlich sind die Landesbanken ein politisches Instrument der jeweiligen Regierung. In diesem Umfeld erfolgreich zu sein, ist nicht einfach. Das soll aber nicht heißen, dass einige Banken keine Fehler gemacht haben.
CW: Ein Grund für Ihren Aufbau von Niederlassungen in Spanien und anderen Ländern ist der Fachkräftemangel in Deutschland. Wie betrachten Sie die Situation?
DIETZ: Der Fachkräftemangel insbesondere bei Ingenieuren und IT-Spezialisten ist eine Tatsache, mit der wir umgehen müssen. Wir sollten aber nicht immer nur über Probleme diskutieren und gleichzeitig hohe Hürden für Einwanderungen festlegen. Wenn sich der Bundesinnenminister über den Status beklagt und das Ganze von einem Ministerium zum Nächsten geschoben wird, finde ich das bedenklich. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn ein Einwanderungsgesetz verabschiedet würde, das den Zuzug von Fachkräften wirklich vereinfacht. Zudem muss man eine politisch gewollte Migrationspolitik anstreben, die zukunftsorientiert ist. Ausländische Fachkräfte kämen gerne, wenn die Hürden niedriger wären und weniger Ressentiments vorherrschen würden. Wir sehen das Thema Fachkräftemangel aber entspannt. Wenn wir Mitarbeiter in Spanien oder Südamerika finden, dann engagieren wir sie vor Ort.
CW: Gibt es Maßnahmen, die den Fachkräftemangel verringern könnten?
DIETZ: Natürlich gibt es Maßnahmen. Viele Kleinunternehmer klagen darüber, dass sie keine Fachkräfte bekommen. Wenn man genau hinschaut, tun diese Unternehmen aber auch wenig, um als Arbeitgeber attraktiv zu sein. Sie müssen sich bewegen und Konzepte vorstellen. So gibt es bei uns beispielsweise internationale Austauschprogramme und Jugendförderungsinitiativen. Außerdem finde ich die Forderung an die Politik, sie solle alles richten, nicht zeitgemäß. Politik kann und muss Rahmenbedingungen schaffen, aber sie kann nicht alles so machen, wie es jeder gerne hätte. Das kostet zu viel Geld und ist eine große Illusion.
CW: GFT befindet sich im 25. Jahr seiner Firmengeschichte. Wenn Sie heute dem 25 Jahre jüngeren Ulrich Dietz gegenüberstünden. Was würden Sie ihm bei einer Unternehmensgründung raten?
DIETZ: Ich würde ihm das raten, was auch ich gemacht habe. Geh mit Enthusiasmus an die Sache und suche dir richtige Partner sowie ein gutes Team. Die Chancen sind heute besser als vor 25 Jahren. Die Vielfalt an Märkten, Technologien und Möglichkeiten ist enorm. Sie können ohne Probleme in Indien, Spanien oder Brasilien Produkte entwickeln und über das Internet weltweit vermarkten.
Der Artikel wurde am 21. November 2012 auf COMPUTERWOCHE.de publiziert.